Medea


Handlung | Entstehung | Die Fassung 1784 | Sprechen und Singen | Zur Textedition


Die Gattung des Melodrams entstand Mitte des 17. Jahrhunderts in Frankreich. Das Ursprungsmodell bildete die Scène lyrique Pygmalion, die Jean-Jacques Rousseau 1762 im Kontext seiner Zivilisations-, Natürlichkeits-, Kultur- und Sprachentstehungstheorien geschrieben und selbst vertont hatte. Die französischen Experimente mit der neuartigen Verbindung von gesprochener Sprache und Musik wurden auch im deutschen Raum genau beobachtet. 1772 präsentierte etwa der Impresario Abel Seyler in Weimar ein Melodram nach Rousseaus Pygmalion. Nach dem Brand des Weimarer Hoftheaters im Mai 1774 wich Seylers Schauspielergesellschaft nach Gotha aus. Sie trat dort zunächst als Wanderbühne auf und wurde dann Ende 1775 – nach einer internen Spaltung und dem Weggang Seylers nach Dresden – unter Leitung von Conrad Ekhof fest am Gothaer Hoftheater angestellt.
Durch Seyler erhielt der Gothaer Hofkapellmeister Georg Anton (Jirí Antonín) Benda den Impuls für die Komposition von Melodramen. Seyler hatte schon in Weimar versucht, mit dem Melodram Ariadne auf Naxos ein neues deutsches Gegenstück zu Rousseau auf die Bühne zu bringen, was aber daran scheiterte, dass sein Theaterkomponist Anton Schweitzer die Vertonung des Textes von Johann Christian Brandes nicht fertig brachte. Erst als Seyler den Text an Benda weitergab, gelang es diesem, mit seiner Vertonung von Ariadne auf Naxos aus der melodramatischen Technik eine eigenständige musikdramatische Gattung zu entwickeln. Nach dem großen Erfolg der Ariadne auf Naxos, uraufgeführt in Gotha am 27. Januar 1775, schob Benda unmittelbar ein weiteres Melodram nach: Medea nach einem eigens dafür geschriebenen Text von Friedrich Wilhelm Gotter, dem Gothaischen Hofarchivar und „Herzoglich Gothaischen Geheimsekretär“. Beide Melodramen Bendas rücken eine weibliche Hauptfigur in den Mittelpunkt und sind als Virtuosenstücke für die jeweilige Darstellerin angelegt; der Einfluss großer Schauspielerinnen (Charlotte Brandes bei Ariadne auf Naxos, Friederike Sophie Seyler bei Medea) auf die Werkkonzeption lässt sich belegen.
Medea wurde von der Seylerschen Schauspiel-Gesellschaft am 1. Mai 1775 in Leipzig (während der Messe) uraufgeführt; daran schloss sich eine Aufführungsserie in Gotha im Juni und Juli 1775 an. Mit Ariadne auf Naxos und Medea schuf Benda das historisch folgenreiche Modell der neuen Gattung des Bühnenmelodrams. Im deutschsprachigen Raum wurden nach 1775 zahlreiche Werke nach dem Muster der beiden Werke Bendas geschaffen, ohne jedoch den Erfolg der beiden Pionierwerke zu erreichen. Ariadne auf Naxos und Medea waren die großen Erfolgsstücke des deutschen Theaters im späten 18. Jahrhundert: Sie wurden in den folgenden Jahrzehnten auf nahezu allen deutschsprachigen Bühnen aufgeführt und gelangten darüber hinaus auch in den skandinavischen, mittel- und osteuropäischen Raum.