Prima la musica e poi le parole


Handlung | Historischer Kontext | Entstehung | Besetzung | Rezeption | Metamelodramma und Intertextualität


Besetzung

Für das außergewöhnliche Spektakel in der Orangerie standen die allerersten Kräfte des Wiener Ensembles bereit.1 In Salieris Oper wurde der Maestro von Francesco Benucci gegeben, der Poeta von Stefano Mandini; die weiblichen Bühnenfiguren verkörperten die beiden Wiener Primadonnen Nancy Storace (Eleonora) und Celeste Coltellini (Tonina). Mandini und Benucci gehörten ebenso wie Nancy (Anna Selina) Storace seit 1783 dem neuen Ensemble der italienischen Oper in Wien an, also den „Hofoperisten“.2 Sie wirkten bei der Premiere von Mozarts Le nozze di Figaro (1786) ebenso mit wie in Salieris Zauberoper La grotta di Trofonio (1785). Demgegenüber war Celeste Coltellini nur kurze Zeit in Wien gewesen. Im Gegensatz zu Nancy Storace, die vor allem im mezzo-carattere-Fach brillierte, besaß sie offenbar weniger stimmliche Eleganz als ihre Gegenspielerin, wohingegen sie mit großen darstellerischen und tänzerischen Fähigkeiten auf der Bühne zu überzeugen vermochte.
Von nicht geringer Bedeutung für die Schönbrunner Aufführung dürfte Francesco Bussani3 gewesen sein, der als ,Regisseur‘ der beiden Stücke fungierte. Bussani war von 1783 bis 1794 am Burgtheater engagiert, wo er nicht nur als Sänger in Erscheinung trat, sondern auch für Dekorationen und Kostüme verantwortlich zeichnete; ferner arrangierte er Stücke für die Wiener Bühne.4 Auf der Gagenliste ist Bussani mit 50 Gulden für Prima la musica und Der Schauspieldirektor verzeichnet und erhielt damit dieselbe Entlohnung wie Mozart für seine Komposition.5
Die Besetzung und personelle Konstellation in Prima la musica war wesentlich geprägt durch die Aufführungen von Sartis Giulio Sabino. Die Tatsache, dass Salieri dieses Werk für die Wiener Bühne einrichtete bzw. stark bearbeitete, konstituiert ein weiteres bedeutsames Verbindungsglied zwischen den beiden Opern.6 In der Titelrolle der Aufführungen im Sommer 1785 gastierte der berühmte Kastrat Luigi Marchesi, der gemeinsam mit Salieri – unter Mitwirkung Josephs II. – diese Produktion auch vorbereitet hatte.7 Marchesi bildete den absoluten Fixpunkt in Giulio Sabino, er war der unangefochtene Star dieses außergewöhnlichen Seria-‚Events‘, welches zur Neueröffnung des Kärntnertortheaters angesetzt wurde.8
Auf der anderen Seite bot der Kastratenkult der Opera seria eine ideale Angriffsfläche für Parodie, und hierin lag die eigentliche Triebfeder für Castis und Salieris Stück. Es ist vor allem eine personelle Konstellation, welche die Konzeption von Prima la musica wesentlich bestimmte, nämlich das Beziehungsfeld zwischen der Darstellerin Nancy Storace (Eleonora) und Luigi Marchesi (Sabino). Wie stark dieser Hintergrund für Castis und Salieris Oper war, offenbaren auch die Rezeptionszeugnisse, die allerdings nicht nur von Parodie, sondern auch von höchst kunstfertiger Nachahmung sprechen:
Die Musik des Hrn. Salieri ist sehr artig und der komische Ausdruck mit grosser Kunst mit dem ernsthaften verbunden. Madame Storace erregte allgemeine Bewunderung; sie sang dem berühmten Hrn Luigi Marchesi in den Arien aus dem Giulio Sabino so künstlich nach, daß man wirklich ihn selbst zu hören glaubte; sogar dessen Spiel stellte sie mit besonderer Geschicklichkeit dar.9



1 Vgl. hierzu Ingrid Schraffl, „Die Mitwirkenden auf der Bühne: Das Theater im Theater in einem multilingualen Kontext“, in Mozart und Salieri – Partner oder Rivalen? Das Fest in der Orangerie zu Schönbrunn vom 7. Februar 1786, hrsg. von Paolo Budroni (Wien: Vienna University Press, 2008) S. 83–88, sowie Miriam Pilters, Italienische Opernparodien im achtzehnten Jahrhundert: Metamelodrammi als humoristische Selbstreflexion im Musiktheater (Saarbrücken: VDM Verlag, 2009), S. 178–184.
2 Schraffl, „Die Mitwirkenden auf der Bühne“, S. 83–88.
3 Siehe Rudolph Angermüller, „Francesco Bussani – Mozarts erster Bartolo, Antonio und Alfonso [–] und Dorothea Bussani – Mozarts erster Cherubino und erste Despina“, Mozart-Studien 10 (2001), S. 213–229.
4 Ibid., S. 221–222.
5 Vgl. das Dokument in Mozart: Die Dokumente seines Lebens, hrsg. von Otto Erich Deutsch, S. 230. Leider ist der Gagenliste nicht die konkrete Funktion Bussanis zu entnehmen.
6 Siehe auch Armbruster, „Salieri, Mozart und die Wiener Fassung des Giulio Sabino“, S. 136–158.
7 John A. Rice, Antonio Salieri and Viennese Opera (Chicago: The University of Chicago Press, 1998), S. 379.
8 Sarti selbst war 1784 in Wien gewesen, wo er – auf der Durchreise von Italien nach St. Petersburg – von Kaiser Joseph II. empfangen wurde; die Wiener Zeitung (12. Juni 1784, S. 1334) berichtet von der Abreise Sartis aus Wien.
9 Wiener Realzeitung, 21. Februar 1786, S. 127, hier zitiert nach Rudolph Angermüller, Antonio Salieri: Dokumente seines Lebens unter Berücksichtigung von Musik, Literatur, Bildender Kunst, Architektur, Religion, Philosophie, Erziehung, Geschichte, Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und täglichem Leben seiner Zeit (Bad Honnef: Bock, 2000), Bd. 1, S. 327.